Lebenslust

Dies ist eine Welt der Lebenden – das haben schon viele nach dem Verlust eines nahestehen Menschen festgestellt. Wenn es sich nicht um einen ganz nahen Verwandten handelte, geht das Leben schon bald wieder seinen gewohnten Lauf, und viele Erinnerungen kondensieren in wenige, gelegentliche Erinnerungsmomente. Ein vergangenes Leben passt in eine Streichholzschachtel, auch wenn es ein grosses und langes Leben war – und das ist wohl gut so.

This is a world of the living – many have already noticed this after the loss of a person. If it wasn’t a very close relative, life will soon return to its usual course and many memories condense into a few, occasional moments of recollection. A passed life fits into a matchbox, even if it was a big and long life – and that’s a good thing.

Blaulichtquartier

In einem Rotlichtquartier zu wohnen, kann des nachts durchaus problematisch sein. Lärmimmissionen lebhafter Preisverhandlungen und zuschlagender Autotüren sind störend. Da fragt man sich natürlich, ob Blaulichtquartiere eine Alternative wären. Sicher wird die Klientel, welche blaues Licht meidet, auf leisen Sohlen durch die Strassen ziehen. Trotzdem sind grüne Quartiere wohl die bessere Wahl.

Living in a red light district can be problematic at night. Noise immissions from lively price negotiations and slamming car doors are bothersome. One has to ask oneself, whether blue light areas would be an alternative. Surely the clientele, which avoids blue light, will go through the streets on quiet soles. Nevertheless, green areas are probably still a better choice.

Plattenspeicher

Seit die künstliche Intelligenz zur möglichen Bedrohung wird, kann man viele Laudationes über das menschliche Gehirn finden. Es ist bei weitem das komplexeste Organ auf diesem Planeten und verfügt über unfassbare 100 Milliarden Nervenzellen, welche untereinander weiter vernetzt sind – Kombinatorik von ihrer besten Seite. Ein absolutes Wunderwerk. Nur – warum nur kommt es gelegentlich in solch bescheidener Verpackung daher?

Since artificial intelligence has become a potential threat, many laudations about the human brain can be found. It is by far the most complex organ on this planet and has an incredible 100 billion nerve cells, which are further connected to each other – combinatorics at its best. An absolute miracle. But why is it occasionally presented in such modest packaging?

Betlehem

Betlehems Zentrum ist hübsch und leer – zumindest war es das, als wir dort waren. Die Ramschläden um die Geburtskirche waren (bis auf die armen Verkäufer) menschenleer. Im Hinterhof einer Schreinerei stolperten wir über eine Kiste mit diesem bemitleidenswerten kleinen Plastikjesus drin.

Säumerweg

Man ist sich heutzutage der Schwierigkeiten und Gefahren winterlicher Reisen vor einigen hundert Jahren nicht mehr bewusst. Warum haben die Leute damals nur 500 Meter vor dem nächsten Weiler ein Refugi errichtet, welches mit hellem Glockengeläut den Weg wies? Vermutlich weil bei solchen Bedingungen ein Vorwärtskommen nahezu unmöglich war. Und es damals auch noch regelmässig solche Winter gab.

Today, people are no longer aware of the difficulties and dangers of winter travel a few hundred years ago. Why did people at that time erect a refuge only 500 meters before the next settlement, and showed the way with bright bell ringing? Probably, because it was almost impossible to move along in such conditions. And there were also regularly such winters back then.

Verzweiflung

Kurzfristig ein passendes Geschenk zu finden ist meist kein Problem. Ausser man weilt in einem kleinen Ort irgendwo in den Bergen. Und alle anderen Gäste weilen ebenfalls in diesem Ort – wie auch die Gastgeber. So finden an einem Abend zwei Hirsche und drei seltsam verpackte Kerzen ein neues Heim. Und ein Gastgeber keinen Platz mehr auf der Fensterbank.

Finding a suitable gift at short notice is usually no problem. Unless you’re in a small village somewhere in the mountains. And all the other guests also stay here – as well as the hosts. Thus two deer and three strangely packed candles find a new home in one evening. And a host no longer finds space on the window shelf.

Lifta III

Ich war alleine dort, wollte aber eine Shilouette fotografieren. Eine bessere Pose ist mir nicht eingefallen. Hinter dem Türrahmen fällt gleich steil der Hang ab und an dessen Fuss liegt das Wasserbecken. Als ich dort war, schwammen nackte junge religiöse Männer darin herum. Sie hätten sich sicher nicht gefreut, hätten sie mich gesehen. Etwas weiter links am Hang sass zwischen bröckelnden Steinmauern ein Mann und filmte sie. Vielleicht – hoffentlich – fotografierte er auch einfach das Tal.

Ich frage mich, wer hier gewohnt hat und wo die Familie jetzt ist. Vielleicht in Jordanien? Statt Teppichen liegen jetzt Kissen und ranzige Matratzen auf dem Boden. Immerhin beherbergt das Dorf jetzt Leute, die sonst kein Dach über dem Kopf hätten (wobei in diesem spezifischen Dach in der Mitte ein grosses Loch klafft).

 

Augengraus

Diese grauenhaften Billigräder sind seit einigen Monaten überall anzutreffen. Es kaum vorstellbar, dass es so viele Menschen gibt, die nicht die geringste Achtung vor einem Fahrrad haben. Grobschlächtige und bleischwere Rahmen, billigste Komponenten und eine Farbgebung die Gummibären erblassen lässt, können unmöglich Fahrfreude bereiten. Darum stehen diese Dinger wohl auch nur rum.

These horrible cheap bikes have been around for a few months now. It is hard to imagine that there are so many people who do not have the slightest respect for a bicycle. Rough and heavy metal frames, cheapest components and a colour scheme that makes candy bears turn pale, can’t possibly give you any driving pleasure. I guess that’s why those things are just standing around.

Lifta II

Und wieder Lifta. Unten im Tal gibt es eine Quelle, bei der man in zwei steinernen Becken schwimmen kann. Ich hätte dieses Dorf gerne gesehen, als es noch lebte.

Ich frage mich, warum die Menschen, die hier wohnten, ihr Dorf verlassen haben. Ob sie gezielt vertrieben worden sind, ob sie vor dem Krieg flohen oder ob sie gingen und dachten, in ein paar Wochen seien sie zurück.

Schweinezyklus

Märkte regulieren sich langfristig meist selber. Kurzfristig jedoch oft mit beachtlicher Unvernunft. So legten aktuelle Zahlen zu Leerständen, Entwicklung der Migration und Anzahl Baugesuchen einem vernünftigen Investor eigentlich nahe, die Finger nun von weiteren Immobilien zu lassen. Trotzdem spriessen allenthalben noch grössere Kräne in die Luft. Und das Risiko steigt weiter, einmal mehr in die seit 1927 bekannte Schweinezyklus-Falle zu tappen.

Markets usually regulate themselves in the long term. In the short term, however, often with considerable irrationality. Current figures on vacancy levels, migration trends and the number of building applications actually advise a sensible investor to stay away from additional real estate. Nevertheless, even bigger cranes sprout into the air. And the risk of falling into the pig cycle trap, which has been known since 1927, continues to rise.