Toubkal

Auf 4167m ü. M. auf dem sommet du Toubkal, dem höchsten Berg Marokkos und des Hohen Atlas im Nordwesten Afrikas. Da er, obschon ziemlich steil, relativ leicht zu besteigen ist, tummeln sich hier zahlreiche Touristen.
 
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Dementsprechend war der Berg schon am frühen Morgen (wir gingen gegen vier Uhr los) von Lichterketten durchzogen… viele kleine Gruppen, die dort wanderten. Mit der einen lieferten wir uns sogar ein unfreiwilliges Wettrennen. Der Aufstieg auf den Toubkal in der Morgenfrische und vor allem der Sonnenaufgang waren wunderschön, ebenso die Sicht vom Gipfel, aber dennoch kam der Toubkal-Tag nicht an die vorangehenden heran. Dort waren wir die einzigen Touristen weit und breit gewesen und hier war jedes zweite Wort, das gesagt wurde, „hey mate!“.
 
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Beim Abstieg wurde uns die Steile des Berges bewusst. Wir nahmen einen andern Weg als beim Aufstieg. Der sei in den ersten zwanzig Minuten zwar unangenehm, aber danach weniger steil als der andere. Unangenehm war er wirklich, und steil blieb er die ganzen drei Stunden lang. In einer Schutthalde fanden wir Flugzeugteile einer Maschine, die vor vierzig Jahren dort abgestürzt war.
 
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Beim Réfuge du Toubkal ruhten wir uns zunächst aus, assen dann zu Mittag und diskutierten, ob wir heute schon oder – wie ursprünglich geplant – erst morgen nach Imlil hinuntersollten. Imlil war unser Start- und Endpunkt und wir entschieden, noch am Toubkal-Tag zu gehen, sodass unser Guide Hussein seine Familie früher wieder würde sehen können.
 
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Es stellte sich dann heraus, dass Hussein ohnehin noch bei uns bleiben musste. Aber am selben Tag noch nach Imlil zu gehen, war trotzdem eine gute Idee gewesen, denn am nächsten Morgen hatten wir solchen Muskelkater, dass wir drei Tage lang nicht mehr richtig gehen konnten. Die 1300 Höhenmeter nach Imlil wären damit keine Freude gewesen.
 
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Libellen-Jagd

Beim Versuch eine Libelle über spiegelndem Wasser zu fotografieren, lernt man die Grenzen digitaler Fotografie kennen. Wie habe ich mir meine alte F2 zurück gewünscht. Allerdings nur, bis das Couvert mit 35 unbrauchbaren Bildern zurückgekommen wäre.

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Mehr Bergromantik geht nicht

Etwas Bergromantik muss sein. Besonders am 1. August. Die Schwinget auf der Alp Fops ob Lenzerheide wurde zum Meisterwerk. Unendlich viel Schweiz und traditionelle Werte vor perfekter Bergkulisse. Ganz einfach und doch so grossartig.

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Die wirkliche Authentizität dieses Anlasses war aber am Vortag sichtbar. Als die Männer den Sägemehl-Ring bereit machten, wurde in der Hütte der Mittagstisch mit Schellenursli Tellern vorbereitet. Das geht doch fast etwas zu weit – ist aber wirklich echt.

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Minöxli

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Die kleine Minox – ein Seligkeitsding, das viel Licht und eine ruhige Hand braucht; vor allem bei Zoomversuchen. Filmen könnte sie, kann sie aber nicht. Dafür hat sie eine Seele und erfordert eine andere Schwerpunktsetzung als gewöhnlich beim Fotographieren… Perspektive, Formen vor Farben, aber keine Knipsbilder, keine Stillleben und kein hübsch verwischter Hintergrund, denn Tiefenschärfe ist für die Minox ein Fremdwort. Das beherrsche ich alles noch nicht. Eine sehr erfrischende Herausforderung, wenn man einmal aus seiner normalen Fotoroutine ausbrechen möchte. Weiteres Plus für die Kleine: Weniger brauchbare und noch weniger gelungene Bilder bedeuten erleichtertes Aussortieren (rücksichtslos Löschen ist eine gute Übung) und grössere Freude an den verbleibenden Fotos. Hallo, LoFi!

My beautiful picture

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Wunderbares Bergwetter

Auch auf 2300 Metern ist es noch heiss. Die Multifunktionsuhr zeigt 42 Grad (mittlere Temperatur aus Arm, Luft und direkter Sonnenbestrahlung). Totaler Blödsinn. Auf die Füsse kann man sich aber verlassen. Sie melden trotz Gorex-freien Lederschuhen Überhitzung.

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Heinrich Böll: Ansichten eines Clowns

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Einen „Moralisten mit clownesken Zügen“ nannte 1987 Marcel Reich-Ranicki Heinrich Böll, jenen bedeutenden Schriftsteller der Trümmerliteratur. Ein Clown auch Bölls Protagonist im 1963  erschienenen Roman, ein Komiker, dessen Leben die Komik entfällt. Wenig dicker als dessen Zigarettenschachtel liegt die Geschichte von Hans Schnier in der Hand, dreieinhalb Stunden bloss umfasst die Rahmengeschichte. Schnier raucht, telefoniert und rechnet mit der Gesellschaft ab. Seine Sätze tragen in ihrer Schlichte die grossen Vorwürfe des Zeitkritikers Böll.

Böll schont seine Leser. Indirekt äussert er seine Kritik, in Personen verpackt, durch Satire. Er spricht, so  Reich-Ranicki, „von deutscher Schuld und Deutscher Literatur in einem Atemzug“. Böll malt den katholischen Spiessbürger, den ehemaligen Nationalsozialisten, der sich in den Schutz der Amtskirche verschlichen hat. Während eines Interviews mit Reich-Ranicki sagte Böll: „Aber im Grunde interessieren mich als Autor nur zwei Themen: die Liebe und die Religion. Für beide Themen ist im innerdeutschen Katholizismus kein Platz.“

So verliert Schnier denn auch seine Freundin Marie an deren katholische Glaubensgenossen. Sie streift ihn mitsamt seinem laschen Künstlerleben ab und heiratet einen katholischen Verbandsfunktionären, dessen Name allein schon ein geordnetes Leben ausserhalb des Konkubinats, wie Böll einen Theologen Maries Partnerschaft mit Schnier bezeichnen lässt, verspricht.

Manchen Lesern schien seinerzeit Bölls Beziehung zur Kirche ein wenig frivol. Tatsächlich unterschied der Autor aber sehr genau zwischen Glauben und der bürokratischen Glaubensauslebung durch die Kirche, wobei er letztere stark kritisierte, obschon er behauptete, dass Ansichten eines Clowns „nicht vom Anti-Katholizismus geprägt“ sei.

Schnier, der am Telefon Gerüche wahrnehmen kann und um zu leben mit erlernt ausdrucksloser Mimik jene Menschen unterhält, die er ablehnt, verfällt nach Maries Verlassen gänzlich dem Alkohol und seiner Melancholie. Diese hilflose Trostlosigkeit setzt ein Ausrufezeichen hinter Bölls Vorwürfe.

,,Ich bin ein Clown und sammle Augenblicke“, sagt Hans Schnier an einer Stelle. Die plakativsten Augenblicke aus seinem Leben, in regelmässigen Reflexionen erzählt, suggerieren schon den Lebensstil des Clowns. Er lebt nicht in der Realität, sondern für die Rückblenden auf sein Leben, an dessen Wendepunkt er gerade steht.  Der innere Konflikt des Protagonisten spitzt sich zu und verlangt nach einer Lösung, die nur in der Handlungsebene zu finden ist. Doch immer lässt Böll die Handlung in die fragmentarische Erinnerungsebene Schniers zurückfallen und dehnt die dreieinhalb Stunden weiter und weiter. Wer als Leser nach einer überraschenden Pointe fragt, ist fehl am Platz.

Der Roman ist wohlkonstruiert. Geschickt stellt Böll Erinnerungen und Realität einander gegenüber, wodurch teilweise das eine schwer vom andern zu unterscheiden ist, und tritt dabei als Erzähler vollständig zurück. Alles ist eingefärbt durch die Perspektive des Protagonisten und am Ende des Buches bleibt kein auktorialer Erzähler, um dem Leser den noch halboffenen Schluss zu deuten. Das soll so auch nicht sein. Die Lektüre dieses Buches ist ein Einblick in den Versuch Bölls, Vergangenheit und Gegenwart zu verarbeiten. Der Leser will das Werk vollumfänglich verstehen, sucht den Schlüssel in der Offenheit dessen Ende. Er beginnt, zu reflektieren – und tut so genau das, was Böll wollte.