Wein im Mai

An diesem Abend hatten wir uns verkleidet, als wären wir in den 1920ern; es war kalt und in der Bar, wo wir hingewollt hatten, gab es keinen Platz. Die Bäuche voller Geburtstagskuchen (das war der freudige Anlass nämlich) spazierten wir durch regennasse Strassen bis zum Marktquartier, wo wir uns in dieser Bar einnisteten, Wein tranken und Pizza teilten.

Nach Hause

Es fühlt sich komisch an, wenn man sein Zimmer in einen Koffer leeren muss, Bücher, Kleider, Notizen, und wenn man das letzte Mal durch liebgewordene Gassen streift.

Ramallah

Ramallah ist eine blosse Dreiviertelstunde von Jerusalem entfernt, obschon es wegen des Verkehrs und des Checkpoints oft länger dauert, von der einen Stadt zur anderen zu kommen. Der Markt dort ist eine ganz andere Welt; Berge von prallen Auberginen, fleischigen Tomaten, frischen Salatköpfen und Billigschuhen bilden enge Gässchen, durch die die Verkäufer schreien, als ginge es um ihr Leben. In den Ausläufern des Marktes ist es etwas weniger hektisch, und dort verkaufte dieser Mann Spinat.

Betlehem

Betlehems Zentrum ist hübsch und leer – zumindest war es das, als wir dort waren. Die Ramschläden um die Geburtskirche waren (bis auf die armen Verkäufer) menschenleer. Im Hinterhof einer Schreinerei stolperten wir über eine Kiste mit diesem bemitleidenswerten kleinen Plastikjesus drin.

Lifta III

Ich war alleine dort, wollte aber eine Shilouette fotografieren. Eine bessere Pose ist mir nicht eingefallen. Hinter dem Türrahmen fällt gleich steil der Hang ab und an dessen Fuss liegt das Wasserbecken. Als ich dort war, schwammen nackte junge religiöse Männer darin herum. Sie hätten sich sicher nicht gefreut, hätten sie mich gesehen. Etwas weiter links am Hang sass zwischen bröckelnden Steinmauern ein Mann und filmte sie. Vielleicht – hoffentlich – fotografierte er auch einfach das Tal.

Ich frage mich, wer hier gewohnt hat und wo die Familie jetzt ist. Vielleicht in Jordanien? Statt Teppichen liegen jetzt Kissen und ranzige Matratzen auf dem Boden. Immerhin beherbergt das Dorf jetzt Leute, die sonst kein Dach über dem Kopf hätten (wobei in diesem spezifischen Dach in der Mitte ein grosses Loch klafft).

 

Lifta II

Und wieder Lifta. Unten im Tal gibt es eine Quelle, bei der man in zwei steinernen Becken schwimmen kann. Ich hätte dieses Dorf gerne gesehen, als es noch lebte.

Ich frage mich, warum die Menschen, die hier wohnten, ihr Dorf verlassen haben. Ob sie gezielt vertrieben worden sind, ob sie vor dem Krieg flohen oder ob sie gingen und dachten, in ein paar Wochen seien sie zurück.

Ir Amim

Freitagmorgens kann man in Jerusalem eine vierstündige Tour durch Ostjerusalem machen, mit einer Organisation namens Ir Amim. Unsere Tourführerin war sehr offen. Sie hat uns ihre Meinung gesagt und dabei durchblicken lassen (und auch klar gesagt), dass sie in sich manchmal widersprüchlich ist. Das ist wichtig, denn die ganze Situation hier ist schrecklich kompliziert, und viele Leute geben sich schnell mit einem schwarzweissen Bild zufrieden. Das ist einfacher und angenehmer.

Auf dem Bild ist ein Teil der Mauer zu sehen. Den Namen der Ortschaft dahinter habe ich vergessen; aber ich glaube, wir waren in Gilo, es könnte Al Walajeh sein.

Lifta I

Verwirrt blühen die Mandelbäume um Lifta. Sie sind ihrer Zeit etwas voraus, aber die Sonne hat sie durcheinander gebracht, und so tüpfeln sie jetzt schon die Hügel in weiss oder blassrosa. Die Mandeln in ihren Schalen, die an den Zweigen hängen, sind auch mit Steinen nicht aufzukriegen. Sowieso würden sie bitter schmecken.

Lifta, das sind die Ruinen, die sich am Eingang zu Jerusalem an den Hang krallen (oder schmiegen? Es ist auf jeden Fall ziemlich steil dort). Bis zum Krieg von 1947-8 waren sie ein palästinensisches Dorf. Es gibt heute wenige solche Ruinendörfer, die nicht im Laufe der Zeit zerstört oder von jüdischen Israeli wiederbevölkert worden sind.

Winterwäsche

Das letzte Wochenende hat es durchgeregnet – zum Glück haben wir einen Balkon mit Schiebefenstern, auf dem wir die Wäsche aufhängen können (behelfsmässig, nachdem einer unserer Wäscheständer unter seiner Last zusammengebrochen ist). Vor einer Weile habe ich jemanden gesehen, der einen Balkon als Zimmer in Tel Aviv vermieten wollte, für den Preis eines billigen WG-Zimmers in Zürich. Vielleicht funktioniert das ja auch, der Winter in Tel Aviv ist viel wärmer als der in Jerusalem.

Kikar Rabin

Am 4. November vor 22 Jahren wurde mitten in Tel Aviv der Premierminister Israels, Jitzchak Rabin, von einem rechten Studenten (einem jüdischen Israeli) erschossen und jedes Jahr findet am Ort seiner Ermordung eine Gedenkveranstaltung statt. Dieses Jahr sollte sie ‚entpolitisiert und so für alle zugänglich gemacht‘ werden (das heisst, nicht nur für die israelische Linke). Es war interessant, die Veranstaltung zu sehen; fast alle Rednerinnen und Redner haben den Satz „Anachnu am echad – wir sind ein Volk“ gesagt, fast schon verzweifelt (die israelische Gesellschaft ist zutiefst zerrissen) und viele haben sich daran zurückerinnert, wie sie sich an diesem 4. November 1995 gefühlt haben. Auf dem grossen Plakat am rechten Bildrand steht „Shtei medinot leshnei amim; Shalom achshav – zwei Staaten für zwei Völker; Frieden jetzt“. Aber irgendwie kommt dieser ganzen Veranstaltung der Sinn abhanden, wenn (der ‚Entpolitisierung‘ zugunsten) keine unangenehmen Tatsachen ausgesprochen werden dürfen. Hier ein Artikel dazu.

Auf dem Bildschirm auf dem Foto ist übrigens die letzte Rede Rabins zu sehen, die er auf dem Kikar Malchei Israel (jetzt Kikar Rabin) hielt, kurz bevor er erschossen wurde.