Monat: August 2013
Es müssen nicht immer exotische Ziele sein
Nein, nicht Gardasee und auch keine Mittelmeerinsel. Ganz einfach ein Juraausläufer irgendwo oberhalb Härkingen. Natürlich ist der Ausgangsort nicht besonders sexy, aber nach 30 Minuten Fahrt ist man bereits weit abseits der Zivilisation. Dank vielen Touren-Portalen im Internet findet man ganz in der Nähe grossartige Touren.
Mehr Bergromantik geht nicht
Etwas Bergromantik muss sein. Besonders am 1. August. Die Schwinget auf der Alp Fops ob Lenzerheide wurde zum Meisterwerk. Unendlich viel Schweiz und traditionelle Werte vor perfekter Bergkulisse. Ganz einfach und doch so grossartig.
Die wirkliche Authentizität dieses Anlasses war aber am Vortag sichtbar. Als die Männer den Sägemehl-Ring bereit machten, wurde in der Hütte der Mittagstisch mit Schellenursli Tellern vorbereitet. Das geht doch fast etwas zu weit – ist aber wirklich echt.
Minöxli
Die kleine Minox – ein Seligkeitsding, das viel Licht und eine ruhige Hand braucht; vor allem bei Zoomversuchen. Filmen könnte sie, kann sie aber nicht. Dafür hat sie eine Seele und erfordert eine andere Schwerpunktsetzung als gewöhnlich beim Fotographieren… Perspektive, Formen vor Farben, aber keine Knipsbilder, keine Stillleben und kein hübsch verwischter Hintergrund, denn Tiefenschärfe ist für die Minox ein Fremdwort. Das beherrsche ich alles noch nicht. Eine sehr erfrischende Herausforderung, wenn man einmal aus seiner normalen Fotoroutine ausbrechen möchte. Weiteres Plus für die Kleine: Weniger brauchbare und noch weniger gelungene Bilder bedeuten erleichtertes Aussortieren (rücksichtslos Löschen ist eine gute Übung) und grössere Freude an den verbleibenden Fotos. Hallo, LoFi!
Heinrich Böll: Ansichten eines Clowns
Einen „Moralisten mit clownesken Zügen“ nannte 1987 Marcel Reich-Ranicki Heinrich Böll, jenen bedeutenden Schriftsteller der Trümmerliteratur. Ein Clown auch Bölls Protagonist im 1963 erschienenen Roman, ein Komiker, dessen Leben die Komik entfällt. Wenig dicker als dessen Zigarettenschachtel liegt die Geschichte von Hans Schnier in der Hand, dreieinhalb Stunden bloss umfasst die Rahmengeschichte. Schnier raucht, telefoniert und rechnet mit der Gesellschaft ab. Seine Sätze tragen in ihrer Schlichte die grossen Vorwürfe des Zeitkritikers Böll.
Böll schont seine Leser. Indirekt äussert er seine Kritik, in Personen verpackt, durch Satire. Er spricht, so Reich-Ranicki, „von deutscher Schuld und Deutscher Literatur in einem Atemzug“. Böll malt den katholischen Spiessbürger, den ehemaligen Nationalsozialisten, der sich in den Schutz der Amtskirche verschlichen hat. Während eines Interviews mit Reich-Ranicki sagte Böll: „Aber im Grunde interessieren mich als Autor nur zwei Themen: die Liebe und die Religion. Für beide Themen ist im innerdeutschen Katholizismus kein Platz.“
So verliert Schnier denn auch seine Freundin Marie an deren katholische Glaubensgenossen. Sie streift ihn mitsamt seinem laschen Künstlerleben ab und heiratet einen katholischen Verbandsfunktionären, dessen Name allein schon ein geordnetes Leben ausserhalb des Konkubinats, wie Böll einen Theologen Maries Partnerschaft mit Schnier bezeichnen lässt, verspricht.
Manchen Lesern schien seinerzeit Bölls Beziehung zur Kirche ein wenig frivol. Tatsächlich unterschied der Autor aber sehr genau zwischen Glauben und der bürokratischen Glaubensauslebung durch die Kirche, wobei er letztere stark kritisierte, obschon er behauptete, dass Ansichten eines Clowns „nicht vom Anti-Katholizismus geprägt“ sei.
Schnier, der am Telefon Gerüche wahrnehmen kann und um zu leben mit erlernt ausdrucksloser Mimik jene Menschen unterhält, die er ablehnt, verfällt nach Maries Verlassen gänzlich dem Alkohol und seiner Melancholie. Diese hilflose Trostlosigkeit setzt ein Ausrufezeichen hinter Bölls Vorwürfe.
,,Ich bin ein Clown und sammle Augenblicke“, sagt Hans Schnier an einer Stelle. Die plakativsten Augenblicke aus seinem Leben, in regelmässigen Reflexionen erzählt, suggerieren schon den Lebensstil des Clowns. Er lebt nicht in der Realität, sondern für die Rückblenden auf sein Leben, an dessen Wendepunkt er gerade steht. Der innere Konflikt des Protagonisten spitzt sich zu und verlangt nach einer Lösung, die nur in der Handlungsebene zu finden ist. Doch immer lässt Böll die Handlung in die fragmentarische Erinnerungsebene Schniers zurückfallen und dehnt die dreieinhalb Stunden weiter und weiter. Wer als Leser nach einer überraschenden Pointe fragt, ist fehl am Platz.
Der Roman ist wohlkonstruiert. Geschickt stellt Böll Erinnerungen und Realität einander gegenüber, wodurch teilweise das eine schwer vom andern zu unterscheiden ist, und tritt dabei als Erzähler vollständig zurück. Alles ist eingefärbt durch die Perspektive des Protagonisten und am Ende des Buches bleibt kein auktorialer Erzähler, um dem Leser den noch halboffenen Schluss zu deuten. Das soll so auch nicht sein. Die Lektüre dieses Buches ist ein Einblick in den Versuch Bölls, Vergangenheit und Gegenwart zu verarbeiten. Der Leser will das Werk vollumfänglich verstehen, sucht den Schlüssel in der Offenheit dessen Ende. Er beginnt, zu reflektieren – und tut so genau das, was Böll wollte.